WebDA

Webbasierte Dienste für ältere Menschen und Angehörige

Webbasierte Dienste für ältere Menschen und Angehörige

Das Forschungsprojekt WebDA hatte zum Ziel, älteren Menschen mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung bis hin zu einer mittleren Demenz durch Einsatz von webbasierten Diensten den Verbleib in ihrer häuslichen Umgebung für einen längeren Zeitraum zu ermöglichen. Die in WebDA entwickelten Dienste umfassten dafür die Bereiche Gedächtnisentlastung, Alltagsstrukturierung, Auflösung beunruhigender Situationen sowie das Training von Kommunikations- und Gedächtnisfähigkeiten. Da demenzkranke Menschen meist auf die Unterstützung von Angehörigen angewiesen sind, die allerdings mit Aufgaben in Familie und Beruf häufig schon ausgelastet sind, wurden in WebDA auch Dienste zur Entlastung der Angehörigen bei der Betreuungsarbeit angeboten. Dazu gehörte auch, dass alle Dienste remote zugänglich waren, so dass Angehörige von zu Hause darauf zugreifen konnten, etwa zur Administrierung oder um diese Dienste gemeinsam mit den zu betreuenden Angehörigen zu nutzen.

Zur Umsetzung des WebDA-Dienstleistungspakets wurden neueste Entwicklungen auf dem Gebiet des Web of Things (Web der Dinge) genutzt. Damit sich die Dienste an die persönlichen Präferenzen und Lebensumstände der Nutzerinnen und Nutzer anpassen konnten, wurden semantikbasierte Nutzer- und Geräteprofile implementiert.

Projektergebnisse

Die in WebDA entwickelten Dienste sollten Menschen in unterschiedlichen Stadien von Demenz in einer selbständigen Lebensführung unterstützen. Dazu wurden mehrere modular aufeinander aufbauende Prototypen von Diensten erstellt, wobei insbesondere die Entwicklung der Web-Anwendungen »Finde-Dienst« und »Aktionsplaner« in der Verantwortung des Fraunhofer FIT lagen.

Finde-Dienst

Mit Hilfe des Finde-Dienstes sollten Menschen mit einer Demenzerkrankung in ihrer Wohnung verlegte Gegenstände selbständig wiederfinden können. Dazu wurde zur Lokalisierung der Gegenstände von einem Projektpartner entwickelte RFID-Technologie eingesetzt. Die Bedienung des Finde-Dienstes erfolgte mit einem Tablet-PC, dessen Bedienoberfläche speziell auf die Bedürfnisse von Demenzkranken ausgerichtet war. Hierzu zählte ein sehr reizarmes Design mit so wenig Schaltflächen wie möglich und der Einsatz von audio-visuellen Hinweisreizen zur Aufmerksamkeitssteuerung. Aufgrund der kognitiven Einschränkung dieser Nutzergruppe ist die Aufmerksamkeitssteuerung beeinträchtigt und bedingt eine sehr leichte Ablenkbarkeit, so dass z.B. eine Schaltfläche ausgewählt wird, weil sie als auffälligstes Element auf dem Bildschirm wahrgenommen wurde, auch wenn dies nicht der eigentlichen Nutzerintention entspricht. Das Ergebnis dieser Auswahl kommt dann oft unerwartet und hat Desorientierung zur Folge. Nutzerstudien in WebDA zeigten, dass solchen Situationen durch die multimodale Gestaltung eines Nutzer-Interfaces entgegengewirkt und die selbstständige Bedienbarkeit eines Dienstes erreicht werden kann. Damit auch Angehörige Gegenstände in der Wohnung des demenzkranken Familienmitglieds suchen konnten – entweder alleine oder gemeinsam mit diesem Familienmitglied – wurde dieser Dienst auch remote zugänglich angeboten.

Bedienoberfläche Finde-Dienst zur Auswahl eines zu suchenden Gegenstands.

Aktionsplaner

Der Aktionsplaner war als Dienst für Menschen in einem fortgeschritteneren Stadium von Demenz gedacht und sollte sie bei der Alltagsstrukturierung unterstützen. Dazu benötigen sie u.a. Gedächtnisstützen wie Erinnerungsmeldungen, die im Aktionsplaner mit Hilfe eines Regeleditors von Angehörigen erstellt werden konnten. Der Regeleditor ermöglichte es, kontextabhängige Aktionen zu definieren, etwa regelmäßige Erinnerungsmeldungen ans Trinken. »Kontextabhängig« bedeutete hier die Festlegung von Bedingungen unter denen eine Aktion ausgeführt werden soll in Bezug auf Zeit (z.B. alle 2 Stunden) und Aufenthaltsort der zu betreuenden Person (z.B. in der Küche). Es konnte also beispielsweise festgelegt werden, dass eine Trinkerinnerung von 10:00 Uhr - 20:00 Uhr alle 2 Stunden ausgegeben werden soll, aber nur wenn die zu betreuende Person am Küchentisch lokalisiert worden ist, auf den der Pflegedienst immer ein Glas Wasser stellt. Darüber hinaus konnten auch ereignisorientierte Regeln definiert werden, z.B. das Versenden einer SMS an betreuende Angehörige, falls Unruhezustände erkannt worden sind, wie das Hin- und Herwandern zwischen Bett und Kommode bei Nacht. Die Ermittlung des Aufenthaltsorts der Personen basierte dabei auf RFID-Technologie.

Da die Definition von Bedingungen unter denen eine bestimmte Aktion ausgeführt werden soll insbesondere für Computerlaien eine komplexe Aufgabe ist, wurden in WebDA umfangreiche Nutzerstudien durchgeführt, um eine zielgruppengerechte Gestaltung der Bedienoberfläche sicherzustellen. Dabei wurde ermittelt, dass das Definieren von Bedingungen in satzähnlichen Strukturen von den Probanden als am besten geeignete Methode angesehen wurde. Dazu wurden zur Formulierung von Bedingungen vorformulierte vollständige Sätze angeboten, deren Satzbausteine variabel waren und durch Auswahl anderer Satzbausteine aus einem Aufklappmenü ersetzt werden konnten. Satzinhalte konnten so erweitert oder verändert werden. Damit immer eine sofortige Rückmeldung über die Auswirkung der Auswahl zur Verfügung stand, wurde eine sich nach jeder Auswahl dynamisch anpassende Regelzusammenfassung rechts oben auf dem Bildschirm angeboten.

Um die Sätze mit den Bedingungen möglichst übersichtlich zu halten, bestanden Definitionen aus den Komponenten: Auszuführende Aktion (Was soll geschehen?), z.B. eine Erinnerung ausgeben, zeitliche Bedingungen (Wann?), z.B. täglich alle 2 Stunden und örtliche Rahmenbedingungen (Wo?), z.B. immer wenn die zu betreuende Person in der Küche ist. Diese Komponenten konnten über eine Reiternavigation aufgerufen und dort definiert werden. Insbesondere für Computerneulinge wurde darüber hinaus in jedem Reiter eine Assistenzfunktion (Wizard) angeboten, die es ermöglichte Bedingungen mit Hilfe einer Schritt-für-Schritt Anleitung zu definieren.

Bedienoberfläche des Regeleditors im Aktionsplaner (Zum Vergrößern auf das Bild klicken).

Weitere WebDA-Dienste

Organizer: Dieser Dienst wurde insbesondere für Menschen mit MCI (Mild Cognitive Impairment) bis hin zu einer leichten Demenz entwickelt, um sie in der Organisation ihres täglichen Lebens zu unterstützen. Das multimodale Nutzer-Interface des Organizers ermöglichte es Erinnerungsmeldungen zu definieren, so dass Meldungen mit Hinweisen, etwa auf anstehende Arzttermine, den Geburtstag der Enkelin oder die Medikamenteneinnahme zu festgelegten Zeiten in visueller oder auditiver Form ausgegeben wurden.

Biographie-Tool: Dieser Dienst hatte insbesondere zum Ziel, die Biographiearbeit bei Menschen mit Demenz zu unterstützen. Angehörige konnten hierfür Bilder, Videos, Audios oder Texte in für die zu betreuende Person individuell bedeutsamen Kategorien ablegen, vorzugsweise zusammen mit dieser Person. Die Bedienoberfläche des Biographie-Tools berücksichtigte Nutzungsanforderungen von Menschen mit kognitiven Einschränkungen und ermöglichte es ihnen, selbstständig Auswahlen zu treffen, um z.B. ein Musikstück aufzurufen, das sie gerne hören, oder Bilder von einer Reise, die sie gerne ansehen wollen.

Trainingssoftware: Zur Stimulation und Freizeitbeschäftigung von Menschen mit einer Demenzerkrankung wurde in WebDA ein Dienst entwickelt, der insbesondere den Erhalt von Gedächtnis- und Kommunikationsfähigkeiten fördern sollte. Die Inhalte der kurzen Übungseinheiten dieses Dienstes waren dabei inhaltlich wie auch in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad an den persönlichen Interessen und Möglichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer ausgerichtet. Jede Trainingseinheit wurde durch Musik und leicht auszuführende Entspannungsübungen begleitet. Die Trainingssoftware konnte sowohl zur individuellen als auch gemeinsamen Beschäftigung mit Angehörigen genutzt werden.

WebDA-HNR (Hausnotruf): Der WebDA-HNR bestand aus einem mobilen Gerät mit der Möglichkeit zur Videokommunikation, das von einer an Demenz erkrankten Person zum Beispiel an einer Halskette mit sich getragen wurde. Es diente hauptsächlich dem besseren Erkennen von Notsituationen und konnte auch darin unterstützen, eine Beunruhigung auslösende Situation aufzulösen, die etwa durch eine Rechnung hervorgerufen worden sein konnte, die mit der Post gekommen war. Durch Drücken eines Knopfes an dem Gerät wurde ein Anruf bei einer vordefinierten Telefonnummer ausgelöst. Nachdem die Verbindung aufgebaut worden war, konnte eine Kamera an dem Gerät zusätzlich eingeschaltet werden, um z.B. gemeinsam die Rechnung anzuschauen und auf ihre Korrektheit hin zu überprüfen. Die Kamera konnte auch dazu genutzt werden, um andere Betreuungsaufgaben wie das Einkaufen von Lebensmitteln effektiver zu gestalten, indem durch einen gemeinsamen Blick in den Kühlschrank vor dem nächsten Besuch des betreuenden Angehörigen besprochen werden konnte, welche Lebensmittel eingekauft werden sollten

Informationsportal: Im Laufe des Projekts wurde ein Internet-Portal aufgebaut, das Informationen über Demenzerkrankungen allgemeiner Art bereithielt. Das Portal enthielt auch Listen mit Ansprechpartnern für Beratung, betreuende Einrichtungen oder Pflegedienste in der Region Bonn-Rhein-Sieg. Am Projektende wurde dieses Informationsportal vom Kreisgesundheitsamt der Stadt Siegburg und dem Haus der Bonner Altenpflege in ihre Internetpräsenz übernommen.

WebDA wurde im Rahmen des Forschungsprogramms Altersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben – AAL gefördert.